Corona-Rundbrief Nr. 30 / Mitglieder-Informationen (30.11.2020)

In der letzten Woche hat die Berliner Konferenz der Ministerpräsidenten (MPK) Aussagen zur Kultur gemacht, auf denen wir aufbauen können und aufbauen müssen. Zum ersten Mal wird der Kultur ein besonderer Stellenwert beigemessen, der allerdings in seiner Wirkung nicht überschätzt, aber auch nicht unterschätzt werden darf. Die Aussagen beruhen auf dem geänderten Infektionsschutzgesetz, das für uns wichtig ist: § 28a des neuen Gesetzes sieht ausdrücklich vor, dass der Betrieb von Kultureinrichtungen sowie Kulturveranstaltungen verboten werden können (Absatz 7). In der Begründung des Gesetzes erfolgt eine Relativierung:

“Die Untersagung und Beschränkung des Betriebs von Kultureinrichtungen oder von Kulturveranstaltungen sind insbesondere grundrechtsrelevant mit Blick auf die Kunstfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes, der die künstlerische Betätigung selbst (‘Werkbereich’), aber auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks (‘Wirkbereich’) umfasst und damit auf Seiten der Veranstalter wie auch der Künstlerinnen und Künstler selbst wirksam wird. Bei Untersagungen oder Beschränkungen im Bereich der Kultur muss der Bedeutung der Kunstfreiheit ausreichend Rechnung getragen werden. Beschränkungen insbesondere des Wirkbereichs können in einer volatilen Pandemielage mit dem Ziel einer Reduzierung von Infektionszahlen erforderlich sein, um den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit angemessen gewährleisten zu können.”

Diese Begründung bietet uns eine wichtige Berufungsgrundlage. In der ersten Phase der Lockerungen müssen Kulturschaffende und -einrichtungen berücksichtigt werden.

Die Konferenz der Ministerpräsidenten hat daraus ableitend einen Auftrag an die Kulturminister*innen formuliert: „Beim weiteren Vorgehen ist zu beachten, dass das Infektionsschutzgesetz vorsieht, bei Beschränkungen des Betriebs von Kultureinrichtungen oder von Kulturveranstaltungen der Bedeutung der Kunstfreiheit Rechnung zu tragen. Sobald dies angesichts der Infektionslage möglich ist, sollten daher die Kultureinrichtungen wieder öffnen können. Die Kulturminister werden beauftragt, hierfür eine Strategie zu erarbeiten, die den notwendigen Vorlauf und hinreichende Planungssicherheit gewährleistet.“

Mit dem Ergebnis des Auftrags wird sich die Berliner Konferenz (MPK) am 20. Dezember befassen. Eine Arbeitsgruppe wird zunächst einen Stufenplan erarbeiten. In ihr ist auch das Land NRW vertreten. Ich habe in einer Konferenz des Kulturministeriums am Freitag gefordert, dass wir an der Erarbeitung des Plans beteiligt werden. Ein Vertreter des Ministeriums wird unseren geschäftsführenden Vorstand am 3. Dezember darüber und über den Stand der Hilfsprogramme unterrichten.

 

Kommunikation mit der Landesregierung

Am Freitag, den 4. Dezember, wird der Informationsaustausch mit der Ministerin in einer Online-Konferenz fortgesetzt, vor allem auch über den Stand der Hilfsprogramme. Eine Übersicht wird erarbeitet. Dazu gehört auch der Stand der Auszahlung des NRW-Sonderprogramms für kulturelle Einrichtungen, für das 85 Mio. Euro vorgesehen sind. Es stehen noch Mittel aus diesem Programm zur Verfügung, das aus mehreren Teilprogrammen besteht. Das Ministerium informiert über den Zugang zum Programm unter der E-Mail-Adresse nrw-kulturstaerkungsfonds[at]mkw.nrw.de.

Das NRW-Kulturministerium arbeitet zur Zeit intensiv an Lüftungsprogrammen – auch für kleine Spielstätten. Aber alle Lockerungen sind geknüpft an den niedrigen Inzidenzwert von 50. In Köln liegt er zur Zeit bei 135.

Ich ziehe daraus den Schluss, dass weiter auf Sicht gefahren wird und Planungssicherheit nicht möglich ist. In einigen Bundesländern wird die Schließung der kulturellen Einrichtungen schon in die ersten Monate des nächsten Jahres geschoben. Die beschlossenen Maßnahmen sind insgesamt notwendig, aber sie enthalten Ungereimtheiten, die auch die Kultur betreffen. Wir werden jede Gelegenheit und jedes Argument nutzen, um Lockerungen zu erreichen.

Interessant sind die positiven Erfahrungen, die Theater mit den Schulen gemacht haben. Die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Theatern hat sich in der Pandemie hervorragend bewährt. Ich habe dies auch für die Museen vorgeschlagen.  Also Unterricht in Theatern und Museen.

Für mich ist allein die Tatsache, dass die Kulturminister*innen mit der Erarbeitung einer Öffnungsstrategie beauftragt sind, ein Hebel, um die Sache der Kultur nach vorn zu treiben – ein kleines Licht am Ende des Tunnels.

Proben von Gruppen und Vereinen der Darstellenden Künste und der Musik müssen in der ersten Phase von Lockerungen wieder möglich sein, auch wenn diese Proben nicht der Berufsausübung dienen. Zu wichtig sind diese gemeinsamen kulturellen Ausdrucksformen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

 

Corona-Hilfen

1. Überbrückungshilfen und Grundsicherung

Entgegen vorheriger Berichte sehen wir jetzt, dass das Problem, Lebenshaltungskosten als förderfähige Kosten in den Bundeshilfen anzuerkennen, keineswegs gelöst ist. Wirtschaftsminister Altmaier ist dafür, Finanzminister Scholz dagegen. Olaf Scholz schließt die Förderung von Lebenshaltungskosten durch die Corona-Hilfsprogramme als vermeintliche Sonderbehandlung einer Gruppe in der Gesellschaft aus. Tatsächlich ist jedoch bei Künstlerinnen und Künstlern die Kunstproduktion nicht von der Lebenshaltung zu trennen.

Gleichwohl sollten Künstlerinnen und Künstler auch die Grundsicherung der Arbeitslosenhilfe mit dem erweiterten Zugang in Anspruch nehmen. So hilft diese allein schon entscheidend bei der Begleichung der oftmals hohen Mieten.

2. Die Novemberhilfe des Bundes kann jetzt beantragt werden

Diese Hilfe betrifft nur die durch die Schließung der Spielstätten verursachten Umsatzerlöse.
Wir weisen darauf hin, dass die November-Hilfe des Bundes jetzt beantragt werden kann. Der Zuschuss beträgt 75 Prozent des jeweiligen durchschnittlichen Umsatzes im November 2019, tageweise anteilig für die Dauer der Corona-bedingten Schließungen. Soloselbständige, auch freischaffende Künstlerinnen und Künstler, können als Vergleichsumsatz alternativ den durchschnittlichen Monatsumsatz im Jahre 2019 zugrunde legen. Bei Antragsberechtigten, die nach dem 31. Oktober 2019 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, kann als Vergleichsumsatz der Monatsumsatz im Oktober 2020 oder der monatliche Durchschnittsumsatz seit Gründung gewählt werden.

Antragsberechtigt sind auch Unternehmen, die regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze durch Lieferung und Leistungen im Auftrag von Unternehmen, die direkt von den Maßnahmen betroffen sind, über Dritte erzielen. Das hilft den Unternehmen und Selbstständigen aus der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft wie Tontechnikern, Bühnenbauern und Beleuchtern. Sie müssen nachweisen, dass sie wegen der Schließungsverordnungen vom 28.10.2020 einen Umsatzeinbruch von mehr als 80 Prozent erleiden. Diese Schwelle bei mehr als 80 Prozent sehen wir als zu hoch an – hier muss nachgebessert werden.

Anträge können ab sofort und zunächst bis zum 31. Januar 2021 über die IT-Plattform der Überbrückungshilfe gestellt werden. Der Antrag muss elektronisch durch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer oder Rechtsanwältin gestellt werden. Soloselbständige können Direktanträge stellen. Sie sind bis zu einem Förderhöchstsatz von 5.000 Euro direkt antragsberechtigt, sofern sie bisher noch keinen Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt haben.

Ausführliche Informationen zum Direktantrag für Soloselbständige
Zum Antrag “Novemberhilfe”
Weitere Informationen zur “Novemberhilfe”

Weggefallene Auslandsumsätze werden bisher nicht berücksichtigt. Ohnehin macht es Schwierigkeiten, dass jetzt von Kostenerstattung auf Umsätze abgestellt wird.

Wir werden uns weiter einsetzen, dass alle genannten Defizite beseitigt werden – in Abstimmung mit den Regierungen und mit dem Deutschen Kulturrat.

3. „Neustarthilfe“

Die sogenannte „Neustarthilfe“ ist nicht mit dem Neustart-Programm der Staatsministerium für Kultur und Medien zu verwechseln. Die „Neustarthilfe“ ist die Erstattung einer Betriebskostenpauschale innerhalb der „Überbrückungshilfe III“ der Bundesregierung.

Die „Überbrückungshilfe III“ soll laut Finanzministerium erhebliche Verbesserungen für Soloselbständige bringen. Betroffene sollen künftig eine einmalige Betriebskostenpauschale von bis zu 5.000 Euro für den Zeitraum bis Ende Juni 2021 als steuerbaren Zuschuss erhalten können. Dazu wird die bisherige Erstattung von Fixkosten ergänzt um eine einmalige Betriebskostenpauschale („Neustarthilfe“). Damit können Soloselbständige, die im Rahmen der Überbrückungshilfen III sonst keine Fixkosten geltend machen können, aber dennoch hohe Umsatzeinbrüche hinnehmen mussten, einmalig 25 Prozent des Umsatzes des entsprechenden Vorkrisenzeitraums 2019 erhalten.

Die Kölner Initiative Kulturwirtschaftsforschung hat sich kritisch mit diesem Ansatz auseinandersetzt. Ihr zufolge werden die meisten Soloselbständigen im Kunst- und Kulturbereich diese Hilfe kaum nutzen können. Sie werden nur dann 5.000 Euro erhalten, wenn sie mindestens 35.000 Euro verdienen. Wir werden auch daran unsere Kritik äußern.

4.  Unsere Online-Seminare

Wer einen Antrag erwägt, sich aber zuerst orientieren möchte, bevor er seinen Steuerberater beauftragt, kann dazu unsere Online-Seminare mit Steuerberater Marcel Stenpass nutzen. Wir finanzieren die Seminare zusammen mit unseren Mitgliedsverbänden Landesmusikrat NRW, NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste und Filmbüro NW. Das nächste Seminar am 7. Dezember ist leider schon ausgebucht. Doch wir werden ein weiteres am 18. Januar 2021 anbieten. In Kürze erscheinen die Informationen dazu auf unserer Website.

 

Ein Kulturprogramm des Landes für das erste Halbjahr 2021

Eines wird jetzt noch deutlicher als brennendes Problem:  Die Landesregierung muss ab Januar ein neues Kulturprogramm auflegen, und zwar in dreistelliger Millionenhöhe. Das fordern wir seit Wochen u.a. mit ausgearbeiteten Vorschlägen für ein verstärktes Stipendienprogramm. Wir haben inzwischen dazu Gespräche mit Landesparlament und Landesregierung geführt – bisher ohne Ergebnis. Auch die Kulturdebatte im Landtag, in der Oliver Keymis am 26. November diese Forderung vertreten hat, führte nicht zur Bekanntgabe eines Plans der Regierung. Die hörenswerte Rede des Vorsitzenden des Kulturausschusses Keymis enthielt Vorschläge, die bislang nicht gemacht worden sind. Wir stellen Auszüge daraus auf unserer Website zur Verfügung.

Für die Forderung eines neuen Programms gibt es zwei Gründe: Zum einen reichen das Neustart-Programm und die Überbrückungshilfe III des Bundes nicht aus, zum anderen wächst der Unmut unter Berliner Parlamentariern darüber, dass vor allem die Bundesregierung die Lasten der Corona-Hilfsprogramme trage. Immerhin haben in Deutschland die Länder nicht nur die Kulturkompetenz, sondern auch die mit ihr verbundene Verantwortung.

 

Jährlichkeit der Kulturförderung und weitere Probleme der Kulturförderung

Unsere Anfrage an NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper zur Fortschreibung und Verbesserung des Corona-Erlasses des Finanzministers vom 1. April 2020 ist noch nicht beantwortet. Die Kulturministerin hat zwar im Ausschuss für Kultur und Medien des Landtages durch einen Mitarbeiter die Einrichtung des Selbstbewirtschaftungsfonds der Kulturabteilung erläutert, doch die Klärung unserer grundsätzlichen Fragen steht noch aus.

 

WDR und der Kulturauftrag

Wir haben mit dem Intendanten ein Gespräch für den 20. Januar verabredet. Wir tun das im Bewusstsein, dass auf die Sender ein erheblicher Druck zu Einsparungen zukommt. Wir wollen dazu beitragen, dass der Kulturauftrag des Senders sich behauptet.

Der WDR hat in Reaktion auf Corona ein Kulturprogramm aufgelegt, das Beachtung verdient. Wenn man der Krise etwas Positives abgewinnen möchte, dann ist es die Tatsache, dass die Kultur stärker wahrgenommen wird.

 

WDR3 Forum – Aufzeichnung am 11.12.2020

Wir bereiten eine Diskussionsrunde vor, die am 11. Dezember in der Sendereihe „WDR3 Forum“ die aktuelle Situation der Kulturschaffenden zum Gegenstand haben wird. Den Sendetermin werden wir über unsere Website bekannt geben.

 

WestLotto-Aktion für die freischaffende Kulturbranche

WestLotto stellt insgesamt 250.000 € für 500 Videoclips von NRW-Künstler*innen bereit: 500 € für jeden Clip. Kulturschaffende aus NRW sind aufgerufen, einen Videoclip bei WestLotto einzureichen, der einen Einblick in die jeweilige Kunst gibt. Teilnehmen können alle freien Kulturschaffenden, die den Großteil ihres Lebensunterhalts mit ihrer Kunst bestreiten. Das Video muss nicht professionell produziert sein, es reicht auch z.B. ein Handyvideo.
Weitere Informationen

 

Gerhart Baum
Vorsitzender Kulturrat NRW

Nach oben scrollen