Corona-Rundbrief Nr. 24 / Mitglieder-Informationen (13.07.2020)

Rundbrief Nr. 24

Liebe Mitglieder des Kulturrats NRW, liebe Kulturschaffende, liebe Kultur-Interessierte,

in unserem heutigen Rundbrief gehen wir weiterhin auf Themen ein, die mit der anhaltenden Corona-Krise zu tun haben, und listen am Ende eine Reihe hilfreicher Links auf. Im Mittelpunkt steht die Umsetzung der Hilfsprogramme. Gleichwohl möchten wir unseren Fokus wieder weiten und nehmen daher auch kulturpolitische Inhalte in den Blick, die über das Krisengeschehen hinaus wirken.

Corona Kulturförderung: NRW hat absolute Priorität

Das Programm ist ein großer Fortschritt. Es wird letztlich daran gemessen werden, wie wirkungsvoll es bei den Betroffenen, den Künstler*innen ankommt. Es hat zwei Teile: Das Stipendienprogramm (105 Mio. Euro für bis zu 15.ooo Antragsberechtigte) und die Förderung kultureller Einrichtungen (80 Mio. Euro). Es darf, so Ministerpräsident Laschet beim so genannten Kulturgipfel am 30.06., in diesem Bereich keine Sommerpause geben. Das Ministerium, Frau Dr. Kaluza und Ihr Stellvertreter Dr. Reitemeyer haben uns über den Stand der Dinge informiert. Wir haben Eindruck gewonnen, dass mit Nachdruck an der nicht einfachen Umsetzung gearbeitet wird. Es gibt keine Vorbilder dafür. Alles ist weitgehend Neuland.

Vorrang hat jetzt das Stipendienprogramm. Die Stipendien von jeweils 7000,-Euro müssen die Begünstigten schnell und unbürokratisch erreichen. Wir werden darauf achten, dass möglichst bald Anträge gestellt werden können.

Voraussetzungen sind: Der Antragsteller muss in NRW beheimatet sein. Er oder sie muss eine Professionalität nachweisen, wobei außer KSK- und Verbandsmitgliedschaft auch andere Nachweise möglich sein sollen. Es muss auch eine Beziehung zu Corona-Nachteilen bestehen. Eine Anrechnung auf eine möglicherweise in Anspruch genommene Grundsicherung soll es nicht geben. Ein kurzer Verwendungsnachweis ist später erforderlich. Zu den Modalitäten wird zur Zeit wird eine Richtlinie erarbeitet, die mit dem Landesfinanzminister abgestimmt wird. Über den Fortgang werden wir kontinuierlich berichten.

Im Vergleich zu Künstlerhilfen in anderen Bundesländern kann sich dieses Programm sowohl mit seinem Volumen wie auch mit der Art der Abwicklung beispielhaft sehen lassen.

NRW-Überbrückungshilfe Plus (300 Mio. Euro)

Das Land ergänzt die Hilfen des Bundes um ein Zusatzprogramm für den Unternehmerlohn: Mit der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ erhalten Solo-Selbstständige und Freiberufler eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.000 Euro pro Monat für maximal drei Monate. Die Landesregierung stellt hierfür 300 Millionen Euro bereit.
Die Antragstellung für die Überbrückungshilfe und das Zusatzprogramm „NRW Überbrückungshilfe Plus“ erfolgt über einen vom Antragsteller beauftragten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer. Die Bundesregierung stellt hierfür ein bundeseinheitliches Antragsportal zur Verfügung. Dort können sich die Berater registrieren und seit 10. Juli Anträge stellen. Informationen zu den Programmen finden Sie unter: www.wirtschaft.nrw/ueberbrueckungshilfe​. Dieses Programm wird also zur Zeit schon umgesetzt. Wir werden sehr genau beobachten, wie die Beratung durch Steuerberater sich auswirkt.

Es zeichnet sich hier ein Problem mit der Antragsberechtigung ab: Freiberufliche Künstlerinnen und Künstler („Soloselbständige“) sind dort nur dann antragsberechtigt, wenn ihr Umsatz in den Monaten April und Mai 2020 zusammengenommen um mindestens 60 % gegenüber April und Mai 2019 eingebrochen ist. Dadurch während in unseren Mitgliedsverbänden viele Künstlerinnen und Künstler, vor allem im Musikbereich ausgeschlossen, denn sie haben zu Beginn der Corona-Krise im April bzw. Mai 2020 Sonder-, Nach- und Vorauszahlungen erhalten haben, die andere Zeiträume als diese beiden Monate betreffen. Diese Zahlungen sollten in der Frage der Antragsberechtigung gleichwohl eingerechnet werden. Wir haben das Problem gegenüber dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium angesprochen und heute Morgen hat Referatsleiterin Frau Kocks eine gute Nachricht an Harald Redmer gesandt, nachdem am vergangenen Wochenende das Bundeswirtschaftsministerium den aktuellen Stand an die Länder meldete. Demnach kommt es auf den Zeitraum der Leistungserbringung an. „Wenn eine Zahlung im April einging, die für eine bereits erbrachte Leistung im Dezember gezahlt wurde, wird der Betrag nicht für April gewertet.“ Das heißt, dass etwa Nachzahlungen der GVL und Vorschusszahlungen der GEMA, die in den beiden Monaten flossen, nicht angerechnet werden.

Zur Anrechnung anderer Förderungen auf die Überbrückungshilfe heißt es aktuell: Leistungen aus anderen Corona-bedingten Zuschussprogrammen des Bundes und der Länder werden auf die Leistungen der Überbrückungshilfe angerechnet, soweit die Fördergegenstände (Lebenshaltung und/oder Fixkosten) übereinstimmen und die Förderzeitraume sich überschneiden. Eine Anrechnung vorher schon bewilligter Leistungen aus anderen Zuschussprogrammen erfolgt bereits bei Bewilligung der Überbrückungshilfe. Betriebliche Fixkosten können nur einmal erstattet werden.

Kulturgipfel mit dem Ministerpräsidenten und der Kulturministerin am 30.06.20

Wir haben bereits in unserer Presseerklärung vom 1.7. zum Kulturgipfel Stellung bezogen. In der Videokonferenz mit 15 Repräsentanten aus Kulturszene und Kulturpolitik in NRW wurde vor allem das Corona-Kulturprogramm zur Diskussion gestellt. Wir haben u.a. angeregt, im Rahmen der EU-Rats-Präsidentschaft Deutschlands ein Programm mit Frankreich durchzuführen. Ministerpräsident Laschet ist der Kulturbevollmächtigte des Bundes in den Beziehungen zu Frankreich.

Corona Bundeskulturfonds – Kultur (1 Mrd. Euro)

Die Förderungsmodalitäten sind mit den Kulturverbänden und den Kulturfonds, die dieses Programm abwickeln sollen, in der Abstimmung. Auch in diesem Programm sollen Einzelkünstler*innen u.a. durch Stipendien gefördert werden. Insgesamt geht es für alle Bereiche um 10.000 Förderbescheide, die in den nächsten 12 Monaten erlassen werden müssen. Als erste Organisationen haben die sechs Bundeskulturfonds Informationen zu Fördergrundsätzen und Antragsmodalitäten auf ihren Internetseiten veröffentlicht. Sie erhalten aus dem Programm „Neustart“ insgesamt 50 Millionen Euro zusätzlich, um in den von ihnen vertretenen Kultursparten Projekte zu fördern. Die fünf sind die Stiftung Kunstfonds, der Deutsche Literaturfonds e.V., der Fonds Darstellende Künste e.V., der Fonds Soziokultur e.V., der Deutsche Übersetzerfonds e.V. und der Musikfonds e.V.

Aus letzterem etwa kommt ein Stipendienprogramm, das Ähnlichkeiten mit dem geplanten in NRW hat. Mit 8 Mio Euro werden Stipendien für den Zeitraum von sechs Monaten und einem einmaligen Betrag von 6.000 Euro an die Stipendiaten finanziert. Sie sollen professionellen, freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern der aktuellen Musikszene die Möglichkeit eröffnen, neue Arbeitsvorhaben umzusetzen, etwa Komposition oder die Entwicklung von Konzepten, von alternativen bzw. digitalen Formaten oder von einer individuellen Klangsprache.

Nicht aus dem Blick geraten dürfen die verschiedenen Steuerermäßigungen, das Wirtschaftsförderprogramm des Bundes zur „Überbrückungshilfe“ und die Hilfe für kulturelle Einrichtungen, auch dadurch ist eine Verbesserung der Einkommenssituation für Künstler*innen zu erwarten.

Soziale Absicherung der Soloselbständigen

In der Corona-Krise ist erkennbar geworden, dass eine soziale Absicherung für den Personenkreis der Soloselbständigen in Deutschland generell fehlt. Die Künstlerinnen und Künstler stellen darin eine besondere Gruppe dar. Es handelt sich also um ein Problem, das unabhängig von der aktuellen Krise zu klären ist. Diskussionen darüber sind in Berlin bereits im Gange. Was die Beschäftigten in den Kulturbetrieben angeht, hat die Leiterin des Kunstmuseums Stuttgart, Ulrike Groos, folgendes gefordert: Es brauche faire Bezahlung für die Solo-Selbständigen, die für Institutionen arbeiten, von Grafikern zu Autorinnen und Ausstellungsaufbauern. Sie, die von der Bundesregierung von den Soforthilfen ausgeschlossen waren und Hartz-IV beantragen mussten, sind eine Gruppe von vielen Tausend Beschäftigten, die in den Budgetverhandlungen traditionell mit Niedrigstlöhnen abgespeist werden, obwohl sie Wesentliches für die Inhalte der Kulturvermittlung leisten. Und für Künstlerinnen und Künstler müsse es endlich „verbindliche Ausstellungshonorare” geben. (Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 8.7.20)

Kulturgesetzbuch NRW

Am 23. Juni hat das Landeskabinett die Eckpunkte des Kulturgesetzbuchs beschlossen, mit dessen Schaffung alle für Kunst und Kultur relevanten Rechtsvorschriften erstmals und bundesweit einmalig in einem eigenen Gesetzbuch übersichtlich und transparent zusammengefasst werden sollen. Die Details zu den 10 Eckpunkten können Sie hier nachlesen. Der Zeitplan für die Erarbeitung sieht die Einbringung des Referentenentwurfs im Mai 2021 sowie die Verabschiedung bis Ende 2021 vor. Ein erster Auftaktdialog hat am 1. Juli stattgefunden. Insgesamt, so haben wir es in dem Gespräch mit den Koalitionsabgeordneten Bernd Petelkau und Lorenz Deutsch sowie der Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und mit dem federführenden Staatssekretär Klaus Kaiser dargelegt, sollte die Gesetzesberatung zu einer Generaldebatte über die Kulturpolitik des Landes genutzt werden. Kulturpolitik, so ist die Absicht, soll als Querschnittsaufgabe der Landespolitik verstanden werden.

Der Kulturrat NRW begrüßt ausdrücklich, dass sich das Land NRW mit dem Kulturgesetzbuch für gesellschaftliche Teilhabe und Diversität in und durch Kunst und Kultur einsetzt. Hier schließt unmittelbar auch die wichtige Verknüpfung von politischer und kultureller Bildung an. Bei der Verbreitung können gut Gedächtnisinstitutionen wie Archive, Bibliotheken, Museen und Theater eingebunden werden. Die gegenwartsbezogene Soziokultur, die bereits jahrzehntelang an der Schnittstelle von Kunst, Bildung und Gesellschaft gewirkt hat und über eine gute Verankerung in lokale Szenen verfügt, sollte hier ebenso Teil von Stärkungsinitiativen sein.

Das Kulturfördergesetz soll in das neue Kulturgesetzbuch „überführt“ werden. Die 10 Eckpunkte markieren ein ehrgeiziges Ziel. Entscheidend ist die Umsetzung. Das Gesetz wird ein Bibliotheks- und ein Musikschulgesetz umfassen. Besonders interessiert sind wir an der Konkretisierung folgender Zielvorstellung: „Die Theater und Orchester, die Museen, die freie Szene sowie neue Formen von Kunst und Kultur werden mit je besonderen Ausprägungen ebenfalls eigens im Kulturgesetzbuch behandelt.“ Von Bedeutung ist auch, ob das positive Wirkungen auf die Finanzierung der Kultur und auf die Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts hat und auch, ob es positiv auf die kulturellen Strukturen wirkt. Der Kulturrat NRW wird sich mit seinen Sektionen aktiv an den Beratungen beteiligen. Das Gesetz muss letztlich eine Fortentwicklung bewirken und darf nicht bloß die gegenwärtige Lage festschreiben. Die 10 Eckpunkte bieten dazu die Möglichkeit.

Zeitgemäße KulturpolitikNeue Antworten auf neue Herausforderungen

Die Kulturförderung hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Dennoch muss hinterfragt werden, ob sie allen Herausforderungen gerecht wird. Der Kulturrat NRW möchte seinen Beitrag zu diesem Diskurs leisten. Deshalb planen wir gemeinsam mit dem Städtetag NRW für 2021 ein Symposium zur Entwicklung einer zukunftsorientierten Kulturpolitik nach Corona. Ein wichtiges Thema in diesem Kontext ist die Diskussion über neue Fördersystematiken, die sich an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen (Diversität, Digitalität, Demografie) und den Schwachstellen der sozialen und finanziellen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern orientiert. Jörg Stüdemann, Kulturausschuss-Vorsitzender im Städtetag NRW, hatte sich im Kulturpolitischen Forum des WDR am 14.06.20 beispielsweise für eine Umverteilung bisheriger Kulturbudgets zugunsten von „Neuen Urbanen Kulturen“ ausgesprochen. Der Kulturrat NRW kämpft seit vielen Jahren um die Vereinfachung und Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts. Insgesamt ist es das Anliegen, die Zugänge zur Kulturförderung weiter zu öffnen und die Freiheit von Kunst und Kultur zu schützen.
Literaturtipps zu diesem Thema:

  • Carsten Brosda „Die Kunst der Demokratie. Die Bedeutung der Kultur für eine offene Gesellschaft“
  • Michael Wimmer (Hg.): „Kann Kultur Politik? Kann Politik Kultur?: Warum wir mehr über Kulturpolitik sprechen sollten“

Studie des Deutschen Kulturrats: Frauen und Männer im Kulturmarkt -Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage

In der Corona-Krise ist sichtbar geworden, unter welch prekären Bedingungen viele Kulturschaffende leben und dass in diesem Bereich in der Sozialpolitik eine deutliche Lücke besteht. Dass die Seuche innerhalb von wenigen Tagen die ökonomischen Bedingungen der Künstlerinnen und Künstler zum Zusammenstürzen bringen konnte, zeigt wie dünn das Eis ist. Die umfangreiche Studie erscheint deshalb genau zum richtigen Zeitpunkt, um mehr Klarheit zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in den Kulturberufen zu schaffen. Der Kulturrat NRW wird die NRW-relevanten Inhalte der Studie auswerten.
Näheres zur Studie können Sie nachhören in folgenden WDR-Interviews mit der Hauptautorin Gabriele Schulz und dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann:
WDR3-Mosaik:Audio vom 25.06.2020, WDR5-Scala: Audio vom 25.06.2020.

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Aktuelle Informationen und Links in Sachen Corona-Hilfen (von Rainer Bode und Harald Redmer – Auszüge)

Auf der Seite des NRW-Wirtschaftsministerium finden Sie nähere Informationen zur Abrechnung der NRW-Soforthilfe sowie Antworten auf mögliche Fragen: https://www.wirtschaft.nrw/nrw-soforthilfe-2020-rueckmeldeverfahren (mit Video)

Bundeswirtschaftsministerium: Auszüge aus den Eckpunkten

Antragsberechtigte

  • Unternehmen und Organisationen aus allen Wirtschaftsbereichen, soweit sie sich nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds qualifizieren und soweit sie ihre Geschäftstätigkeit in Folge der Corona-Krise anhaltend vollständig oder zu wesentlichen Teilen einstellen mussten.
  • Solo-Selbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb sind ebenfalls antragsberechtigt.
  • Eine Einstellung der Geschäftstätigkeit vollständig oder zu wesentlichen Teilen in Folge der Corona-Krise wird angenommen, wenn der Umsatz in den Monaten April und Mai 2020 zusammengenommen um mindestens 60 % gegenüber April und Mai 2019 eingebrochen ist. Bei Unternehmen, die nach April 2019 gegründet worden sind, sind statt der Monate April und Mai 2019 die Monate November und Dezember 2019 zum Vergleich heranzuziehen.

Der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung wird verlängert bis zum 30.9.2020, d.h. bis dahin können Anträge beim Jobcenter oder den Optionskommunen gestellt werden.

Bei individuellen Fragen zu den Hilfsprogrammen sind unsere Berater bis Ende September für Sie da. Die Kontaktdaten und Sprechzeiten finden Sie auf unserer Website.

Ich wünsche Ihnen angenehmen Sommertage. Wir werden Sie auch in den nächsten Wochen weiter informieren.

 

Mit den besten Grüßen
Ihr
Gerhart Baum
Vorsitzender des Kulturrats NRW

Kontakt: info@kulturrat-nrw.de

 

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