Von Popcorn bis Public Viewing – Wie erreichen wir unser Publikum?

Zwölf Handlungsempfehlungen für Kultureinrichtungen zur Ansprache ihres Publikums in ausklingenden Pandemiezeiten

Die folgenden Empfehlungen entstammen dem Diskurs einer Arbeitsgruppe des Kulturrats NRW zur (Rück-)Gewinnung des Publikums. Sie dienen als Denkanstöße und werden fortlaufend überarbeitet.

 

  • Selbstbewusst agieren

So wichtig es war, die Krise der Kultur in Pandemiezeiten zu thematisieren, so abträglich kann es jetzt sein, den Rückgang der Besucherzahlen herauszustellen. Klagen über Publikumsschwund können zur self-fulfilling prophecy werden. Als Veranstalter sollten Sie die Überzeugung ausstrahlen, dass sich der Besuch Ihres Angebots lohnt.

 

  • Pflegen Sie Ihr Stammpublikum

Das Stammpublikum ist der Kern, um den herum sich neue Zielgruppen Ihrer Veranstaltung ranken. Es ist keine Schande, in einer vielfältigen Programmpolitik auch auf die kulturellen Inhalte zu setzen, die das Stammpublikum erwartet. Das Stammpublikum ist eine „sichere Bank“ in der Programmplanung. Man muss ihm bei konsequenter Programmplanung Zeit geben, sich wieder auf Besuche einzulassen.

 

  • Erweitern des Stammpublikums um neue, ggf. junge Zielgruppen durch entsprechende Verbindungen in den kulturellen Inhalten

Setzen Sie auf Veranstaltungsformate, die Brücken zwischen Jung und Alt schlagen, und auf kulturelle Inhalte, die ebenfalls solche Verbindungen herstellen. Kombinieren Sie z. B. ein klassisches Sinfoniekonzert mit sinfonischen Soundtracks von John Williams zu Harry Potter, von Steve Jablonsky zu den Transformers und Ähnliches.

 

  • Die erwartete Publikumszusammensetzung prägt das Image der Veranstaltung

Publikumsbefragungen zufolge spielt es bei der Entscheidung, ob man zu einer Veranstaltung geht oder nicht, eine Rolle, wen man dort anzutreffen vermutet. Sieht sich der/die Besucher/in als einen zugehörigen Teil des Publikums, beeinflusst das die Entscheidung positiv. In die Bewerbung der Veranstaltung kann man per Bild oder per Beschreibung eine Vision einfügen, wer dort sein wird.

 

  • Strategische Öffentlichkeitsarbeit

Strategische Öffentlichkeitsarbeit sollte die Bewerbung einer Veranstaltung ergänzen. Der Veranstaltungsort sollte dem Publikum in regelmäßigen Abständen mittels einer Imagekampagne bekannt gemacht werden.

 

  • Flexible Stornierungsbedingungen

Räumen Sie Ihrem Publikum im Vorkauf flexibles und kurzfristiges Stornieren ein. Es erhöht das Vertrauen wesentlich, Geld im Vorverkauf zu „riskieren“.

 

  • Lassen Sie uns auf Qualität statt auf Quantität setzen

Wer ein mitreißendes Konzert, ein ergreifendes Theaterstück oder eine anregende Lesung erlebt hat, kommt wieder. Dagegen wird das kulturinteressierte Publikum nicht von der schieren Vielzahl von Veranstaltungen angezogen (auch nicht von besonders geförderten). Ob es eine hochkarätige Besetzung, eine zusätzliche Moderation oder andere, etwas teurere Maßnahmen sind: Investieren Sie lieber in wenige, attraktivere Veranstaltungen, als so viele wie möglich auszurichten.

 

  • Partizipation am kulturellen Geschehen

Für viele kulturaffine Menschen bedeuten Partizipation und Durchdringung der Inhalte einen Mehrwert des Kulturangebots. Es lohnt sich, vermittelnde Aspekte und partizipative Momente in den kulturellen Inhalt der Veranstaltung einzubauen und dies zu kommunizieren.

 

  • Gehen Sie Kooperationen ein

Vor allem Kooperationen zwischen Einrichtungen der freien Szene und kommunalen Kultureinrichtungen haben sich bewährt, weil hier sowohl Erfahrungen in der Zielgruppenansprache als auch Arbeitsweisen und Methoden wirkungsvoll kombiniert werden.

 

  • Denken Sie in den Kategorien von Kulturlandschaften

Überblickt man eine Kulturlandschaft, erkennt man die Vielzahl von miteinander kollidierenden Kulturangeboten. Webbasierte Veranstaltungskalender konnten Terminüberschneidungen bislang nicht verhindern. In Städten kann die Kulturverwaltung mehr Koordination sowie eine erfolgreiche Werbung unterstützen.

 

  • Festivals werten auf

Aus unseren Veranstalterkreisen erhalten wir Rückmeldungen, dass Veranstaltungen, die Teil von Festivals sind, weniger Publikumsprobleme haben als Veranstaltungen, die einzeln beworben werden. Die Strahlkraft eines Festivals kann zögernde Interessenten überzeugen. Vielleicht haben Sie die Möglichkeit, mit einem Festival zu kooperieren? Dann nutzen Sie diese.

 

  • Infektionssicherheit

Der Pluralismus politischer Äußerungen zur Infektionslage führt zur Verunsicherung beim Kulturpublikum. Untersuchungen des Instituts für kulturelle Teilhabeforschung in Berlin zufolge begrüßte der bei weitem überwiegende Teil des Publikums von Kultureinrichtungen in Berlin die strikten Schutzverordnungen während der Pandemie. In Ermangelung klarer Verordnungen braucht ein Großteil der Kulturbesuchenden das Gefühl, dass der Veranstalter ein Maximum an Infektionssicherheit ermöglicht. Die entsprechenden Konzepte sollten weiterhin umgesetzt und klar kommuniziert werden.

16. Januar 2023
AG Publikum, Kulturrat NRW
Antje Deistler, Antje Nöhren, Catalina Rojas Hauser, Heike Herold, Ulrike Seybold, Julia Merrill, Robert v. Zahn

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